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Die Hoffnung stärken - Interview mit Maria van der Linde, msc

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Maria van der Linde ist Missionsschwester vom Heiligsten Herzen Jesu und lebt seit 56 Jahren in Peru. Zurzeit in einem armen Randbezirk nördlich von Lima. Bei ihrem Aufenthalt in Hiltrup erzählt sie von ihrer Arbeit und was ihr in all den Jahren ihres Lebens in Lateinamerika wichtig geworden ist.

Worin besteht aktuell deine Arbeit in Peru?

Ich arbeite mit unserer NGO ISDEN mit Frauen in der Gesundheits- und Bildungsarbeit. Männer sind nicht ausgeschlossen, aber es kommen hauptsächlich Frauen zu unseren Kursen und Veranstaltungen. Sie leben oft in schwierigen Situationen, familiär und wirtschaftlich. Es sind sehr arme Menschen und oft sind es vor allem die Frauen, die sich trotz aller Schwierigkeiten für ihre Mitmenschen einsetzen.

Dabei ist es uns wichtig in den Menschen ihre eigenen Fähigkeiten zu entdecken, sie zu fördern, zu unterstützen, damit sie sich ihres inneren Reichtums bewusst werden. Wir wollen ihre Hoffnung stärken. Wir müssen unsere Aufgaben immer der Zeit und der Realität anpassen.

Was bedeutet das konkret?

Die letzte Zeit der Pandemie und auch danach war für die Menschen in Peru besonders schwer. Besonders für die, die auf engem Raum leben und die Todesfälle in der Familie erlebt haben. Wir haben mit dem Team im ISDEN (wir arbeiten zu viert für Bildung und Menschenrechte) die Arbeit von Präsenz auf online umgestellt. Das Team hat da super zusammengearbeitet und gelernt. Für uns war die Umstellung besonders, denn die meisten Teilnehmer:innen unserer Kurse sind über 60 Jahre alt und haben nicht alle digitale Endgeräte. Aber da während der Pandemie oft ganze Familien eingeschlossen waren, haben die Kinder und Enkelkinder geholfen mit der Technik klar zu kommen. Und manchmal haben die ganzen Familien an unseren Veranstaltungen teilgenommen, das war schön.

Was meinst du, würden die Kursteilnehmer:innen über dich sagen?

Die Frauen schätzen mich sehr, das ist schön. Sie bedanken sich, wenn sie gefördert werden. Eine Frau hat mal gesagt „Ich habe hier gelernt eine bessere Frau, Mutter und Ehefrau zu sein – mein Leben ist bereichert worden“. Wir lesen auch immer viel zusammen in der Bibel. Die Frauen bereichern mich durch ihre Einfachheit – im Glauben, im Ausdruck. Sie sind oft dem Leben so nahe. Das berührt mich.

Wie gehst du in deiner Arbeit vor?

Wir wenden konsequent die Methode Sehen – Urteilen – Handeln  an. Und wir haben noch einen weiteren Schritt dazu genommen: Feiern!

Es ist wichtig, für die Frauen einfach da zu sein. Ich persönlich mache da gar nicht so viel. Aber ich arbeite dafür, dass die Rechte der Menschen respektiert werden.

Worin besteht dein Engagement für die Menschenrechte in Peru?

Während der Pandemie wurde ich im nationalen Ethik-Komitee zu Fragen der Triage berufen. Es sollten Kriterien für das Handeln in der Pandemie entwickelt werden. Das Ministerium hat mich einberufen, weil sie meinten ich sei gut mit den Leuten verbunden, sie wollten meine Meinung „von unten“. Aber in dem ganzen Prozess wechselte drei Mal der Gesundheitsminister. Ich wurde drei Mal einberufen und zwei habe ich zugesagt. Beim letzten Mal nicht mehr, da habe ich verstanden, dass sie meinen Namen gebrauchen wollten, weil ich bekannt bin bei den Leuten. Das Gesundheitssystem in Peru ist kritisch, die Korruption ist groß. Ich wollte nicht Teil davon sein.

Außerdem engagiere ich mich auch in einem Komitee gegen Tuberkulose im Programm „Lucha contra la Pobreza“ (Kampf gegen die Armut). Dort arbeiten wir mit dem Gesundheits- und dem Sozialministerium zusammen und mit verschiedenen Bürgermeisterämtern in den ärmeren Zonen von Lima. Ich bin dort verantwortlich für den Großbezirk Lima. Und wenn wir da etwas erreichen, dann hat es Wirkung auf nationaler Ebene. Z.B. ist es uns gelungen, dass die Lebensmittelpakete aufgestockt werden für die Familien, die einen kranken Angehörigen pflegen. Das klingt wenig, aber für arme Familien ist das sehr wichtig.

Welche Rolle spielt es, dass du eine MSC Schwester bist?

All meine Arbeit mache ich natürlich als Ordensfrau. An manche Orte werde ich eingeladen, weil sie dort eine kirchliche Stimme hören wollen.

Als MSC Schwester ist es für mich ausschlaggebend mit Armen zu arbeiten, zu lernen und die Bibel zu lesen. Es macht einen Unterschied, ob man die Bibel aus der Realität in Deutschland liest oder aus der Perspektive der armen Frauen in Peru. Das Zusammenspiel von Leben, Wirklichkeit und Glauben habe ich mit den peruanischen Frauen neu erfahren.

Einmal haben wir zusammen Exodus gelesen, aus dem Buche Mose „Ich habe das Leid meines Volkes gesehen… ich bin gekommen um mein Volk zu befreien.“ Das war in einer Situation in der der Stadtteil weder fließendes Wasser, noch eine Verkehrsverbindung hatte. Da war das eine wichtige Botschaft für die Frauen! Gott interessiert sich für uns, wir sind ihm nicht gleichgültig!

Wenn ich überlege wofür ich mich einsetze und ob ich z.B. an Demos oder Märschen teilnehme, dann frag ich mich, ob es zu Jesu Aussage passt „Ich bin gekommen, damit sie Leben haben, Leben in Fülle.“ Manchmal kommt mir so ein Marsch dann vor wie eine große Prozession: unterwegs sein für das Leben, für das Leben derer, die wenig Möglichkeiten haben.

Was ist das Ziel deiner Arbeit?

Ich möchte Menschen zueinander zu bringen und zu unterstützen. Damit sie sich artikulieren und sich vernetzen. Es ist schön, wenn sie sich kennen und gegenseitig bereichern. Alle lernen gleichzeitig miteinander und voneinander!

Dabei ist nicht wichtig, ob sie katholisch sind, sondern dass sie Personen sind, die sich für ein Miteinander interessieren und einsetzen.

Was kennzeichnet deine Spiritualität?

Ich bin Missionsschwester vom Heiligsten Herzen Jesu, das ist gerade das Richtige für mich! Mir ist das Bewusstsein wichtig aus der Liebe des Herzens Jesu zu leben und gemeinsam zu wachsen. Das macht mich kreativ. Ich hätte es nie gedacht, aber heutzutage bin ich echt kreativ.

Ich finde es schön, Menschen nahe zu bringen, was ich persönlich wichtig für das Leben finde und das weiter zu geben. Und ich bin sensibel dafür, wenn Unrecht geschieht und wenn die Rechte von Menschen missachtet werden, das habe ich schon als Kind gespürt.

Gleichzeitig ist der Reichtum unserer Spiritualität die Gegenseitigkeit: ich empfange viel mehr von den Menschen, als ich geben kann. Die Frauen in unseren Kursen sagen das oft so schön. Ich bin da eher Münsterländerin, ich drücke mich nicht so oft aus. Aber wir sind da ein sehr gutes Team, lernen voneinander, fördern uns gegenseitig und leben aus einem Geist. Die Realität in Peru ist derzeit sehr kritisch. Da ist das Miteinander zentral!

Interview: Anna Murböck