Direkt zum Inhalt
  • Blog

Schwester Mathilde Vossmöller in San Martin de Porres (Peru)

1-2021

Schwester Mathilde Vossmöller lebt mit anderen Hiltruper Missionsschwestern in einer kleinen Kommunität in San Martin de Porres im Norden der peruanischen Hauptstadt Lima. Dort, am Rande der Großstadt, sind die negativen Folgen der COVID-19 Pandemie besonders spürbar. Die gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen der Menschen in Peru haben sich drastisch verschlechtert. Man geht davon aus, dass im vergangenen Jahr drei Millionen Peruaner*innen zusätzlich von Armut betroffen waren und es immer noch sind. Spezialisten schätzen für das Jahr 2020, dass auf Grund der Quarantäne- und Präventionsmaßnahmen gegen die Pandemie die Armut von 20,2 % zu Beginn des Jahres auf 30 % angestiegen ist. Das sind 9,9 Millionen Peruaner*innen, die inzwischen in Armut leben. Die Zahl entspricht einem Drittel der Bevölkerung.

Schwester Mathilde und ihre Mitwestern erleben diese Veränderung unmittelbar in ihrer Nachbarschaft. Sie berichtet, dass die Situation für Kinder besonders belastend ist durch soziale Isolation, körperliche Distanzierung und die geschlossenen Schulen und Kindergärten. Viele Kinder reagieren mit Angst. Sie mussten erleben, dass Angehörige erkrankten und kaum medizinisch versorgt wurden oder sogar verstarben, ohne, dass sie sich verabschieden konnten. Bei vielen Kindern führte die Isolation zu aggressivem Verhalten. Denn anders als in Deutschland gelten die Kinder in Peru als besondere Spreader der Pandemie. So war es viele Monate lang verboten mit einem Kind auf die Straße zu gehen. Dieses Verbot ist verheerend für die Kinder, da arme Familien in Peru oft zusammen auf engstem Raum leben. Immer noch ist es verboten, dass Kinder auf der Straße Fußball spielen

In der Zeit der Ausgangssperre waren Frauen und Kinder signifikant mehr häuslicher Gewalt ausgesetzt. Die Gewalttaten reichen von psychischem und körperlichem Missbrauch bis hin zu Mord. So wurden nach fünf Monaten Quarantäne mehr als 1000 Fälle von Vergewaltigung angezeigt, bei denen die meisten Opfer Mädchen, Jungen und Jugendliche waren. Auch 30 Morde an Frauen wurden registriert. „Die Dunkelziffer liegt vermutlich weit höher“, sorgt sich Schwester Mathilde.

Eigentlich sind die sozialen Treffpunkte und Hilfeangebote durch die Hiltruper Missionsschwestern im Stadtteil San Martin de Porres vielfältig. Sie unterhalten Kindergärten, Frauenhäuser, eine Fairhandelswerkstatt und ein Gesundheitszentrum für Allgemeinmedizin, Gynäkologie und Physiologie. Zusätzlich gibt es ein zahnärztliches Angebot und eine Apotheke. Zum Netzwerk der MSC-Schwestern gehören Sozialarbeiterinnen, die normalerweise auch Hausbesuche bei den Familien machen und Seniorengruppen anleiten. Und Schwester Mathilde erzählt, dass die Hiltruper Missionsschwestern „ebenfalls die hiesigen Suppenküchen und Einrichtungen des Programms „Vaso de leche“ (Milchglas), in denen Frühstück zubereitet und angeboten wird,“ unterstützen.

 

Blog

 

Diese wichtige Infrastruktur für Kinder, Frauen und Familien brach in der Zeit der Quarantäne gegen die Ausbreitung des Coronavirus größtenteils weg. Wirtschaftlich waren Familien, die ihr Einkommen unter prekären Arbeitsbedingungen generieren müssen, am stärksten betroffen. Viele Menschen in Peru leben von Tag zu Tag und dies führt dazu, dass sie trotz des Verbots ihre Häuser verlassen müssen, um auf der Straße nach Arbeit zu suchen und nach Möglichkeiten das tägliche Brot für ihre Familien zu organisieren. Sie setzten sich ständig dem Risiko aus, sich und ihre Familien anzustecken.
Trotzdem reichte vielerorts das Familieneinkommen nicht für den Lebensunterhalt. Etliche Familien schlossen sich solidarisch zusammen und kochten in so genannten „ollas comunitarias“. In diesen nachbarschaftlichen Suppenküchen halfen sie sich gegenseitig ihre Kinder zu ernähren.
Für Schwester Mathilde ist dies eine schmerzliche Situation: „Die Auswirkung der Pandemie und die Schließung vieler unserer Angebote wirkten sich dramatisch auf die Lebenssituation unserer benachbarten Familien aus. Wir versuchen zu helfen, wo wir können.“ Aber auch den MSC-Schwestern sind durch Ausgangssperren und Quarantäne-Maßnahmen oft die Hände gebunden.

 

Blog

 

Die Hiltruper Missionsschwestern in Lima freuen sich jedoch sehr, dass sie im Jahr 2020 großartig durch Spenden aus Deutschland unterstützt worden sind. „So war es möglich, dass wir schon ab Mai des vergangenen Jahres für viele Familien jeden Monat einen Lebensmittelkorb zusammenstellen konnten“, erzählt Schwester Mathilde. „Dieser Korb enthält Grundnahrungsmittel wie Reis, Zucker, Eier, Bohnen, Milch, Fischkonserven und Nudeln. Aber auch Hygieneartikel wie Seife und Zahnpasta.“ Zwar reiche dieser Korb nicht für einen gesamten Monat, sei aber trotzdem eine wertvolle Hilfe für die betroffenen Familien.
Schwester Mathilde berichtet davon, wie wichtig es war, dass die Familien ihre Handys mit Guthaben aufladen konnten. In den Schulen wurde fast das gesamte peruanische Schuljahr über Distanzunterricht angeboten. Für Familien ohne Computer oder Internetzugang war dies eine große Herausforderung. Manchmal mussten Eltern, die kein Geld für Handyguthaben hatten, auf der Straße nach ungeschütztem Internet aus der Nachbarschaft suchen, um dann mit ihrem Handy die Schulaufgaben für ihre Kinder herunterladen zu können. Glücklicherweise konnten die Hiltruper Missionsschwestern etliche Familien mit Handyguthaben unterstützen. Schwester Mathilde erzählt erfreut: „Gestern bekam ich von ganz vielen Müttern eine WhatsApp-Nachricht mit einem Dank an mich und alle Menschen, die geholfen haben und weiterhin helfen.“

Anna Murböck