Vor ein paar Wochen bin ich in Windhoek in Namibia sicher gelandet und von den Missionary Sisters of the most sacred heart of Jesus sehr herzlich empfangen worden. Seitdem ist sehr viel passiert; es gab Höhe- wie Tiefpunkte und ehrlicherweise weiß ich gar nicht, wo ich beginnen soll zu erzählen …
Während meiner Überlegungen ist mir aufgefallen, dass die Zeit, bzw. das Zeitverständnis der NamibierInnen in den letzten Wochen sowohl mein bester Freund als auch mein größter Gegenspieler war, sodass ich mich entschieden habe darüber zu berichten:
In Windhoek habe ich zum ersten Mal erlebt, was Zeit in Namibia bedeuten kann. Die ersten Tage habe ich im Schwesternhaus in Windhoek verbracht. Währenddessen gab es für mich nicht viel zu tun, da die Schwestern ihren gewohnten Tagesablauf hatten und sie mir die Möglichkeit geben wollten, in Ruhe in Namibia ankommen zu können. Mit dieser vielen Zeit, die ich plötzlich für mich selbst hatte, war ich zunächst überfordert und konnte diese nicht richtig genießen, weil ich wie auf „heißen Kohlen saß“. Ich wartetet sehnsüchtig darauf, endlich nach Swakopmund weiterreisen zu können. Die Schwestern waren in dieser Zeit eine große Stütze für mich. Wir haben uns ausführlich über unterschiedliche Themen unterhalten. Sie haben mir etwas von Windhoek gezeigt und wir haben gemeinsam die Messe besucht.
Nach drei Tagen bin ich dann nach Swakopmund aufgebrochen und war voller Vorfreude auf meine Arbeit im Hostel mit den Mädchen und Jungen. Zudem habe ich mich sehr auf die anderen Schwestern und die neuen Begegnungen gefreut. Insgesamt habe ich mich darauf gefreut, etwas tun zu können … In Swakopmund wurde ich offen und liebevoll von Schwester Padelia und Schwester Letizia mit den Worten: „Let the things happen. Take your time!“ (Lass die Dinge geschehen. Nimm Dir Zeit.) empfangen. Die Schwestern gaben mir die Gelegenheit, es langsam gehen zu lassen, was für mich eine Herausforderung darstellte. Ich hatte viel Zeit dazu, meine persönlichen Sachen auszupacken und mein Zimmer einzurichten, bzw. zu meinem neuen Zuhause zu machen. Weiterhin durfte ich am nächsten Morgen ausschlafen und musste noch nicht im Hostel mithelfen. Als ich Schwester Padelia gefragt habe, warum sie mir soviel Zeit geben, hat sie mir zur Antwort gegeben: „Let the things happen. You need time to settle in, so that it is good for you!“ (Lass die Dinge geschehen. Du brauchst Zeit, um Dich einzuleben, sodass es gut für Dich ist.) Diese Antwort war anfangs sehr unbefriedigend, weil ich gerne mit der Arbeit loslegen wollte.
In den ersten Wochen in Swakopmund bin ich häufig mit dem Verständnis der Zeit aneinander geraten. In Deutschland leben wir nach der Uhr: Wenn es 12 Uhr ist, gibt es pünktlich Mittagessen … habe ich um 18 Uhr einen Termin, bin ich am Besten schon zehn Minuten vorher am Treffpunkt. In Namibia wird die Zeit anders verstanden. Schwester Padelia würde es mit folgendem Beispiel beschreiben: „Time is not really kept. 12 o’clock can be 14 o’clock.“ (Die Zeit wird nicht wirklich gehalten.12 Uhr kann 14 Uhr sein.) Es werden Zeitangaben gemacht, aber das heißt nicht, dass das Event zu genau der Zeit stattfindet. Beispielsweise wollten wir in der ersten Woche morgens um 10 Uhr Einkaufen gehen und die Schwestern wollten mir nebenbei ein bisschen Swakopmund zeigen. Ich war pünktlich fertig, aber wo waren die Schwestern? Letztendlich sind wir anderthalb Stunden später gefahren. Im ersten Moment hat sich dies befremdlich angefühlt, aber ich fange langsam an, mich daran zu gewöhnen...und es zu genießen.
Auch wenn es jetzt so klingen mag, als ob die Menschen hier überwiegend unpünktlich wären, muss ich dieses revidieren. Es gibt feste Zeitangaben die pünktlich eingehalten werden. Zum Beispiel ist es sehr wichtig, dass die Kinder die Essenszeiten im Hostel einhalten. Falls sie zu spät kommen sollten, wird ihnen dies direkt gesagt. Wenn Bürotermine für die Organisation des Hostels anstehen, ist Schwester Padelia sehr darauf bedacht, pünktlich zu sein. Ich könnte an dieser Stelle noch mehr Beispiele nennen, aber deren Pünktlichkeit ist unserer sehr ähnlich. Die Menschen leben hier nicht nach der Zeit, sondern mit der Zeit. Ich habe in den ersten Wochen begonnen zu lernen, bewusster die Zeit wahrzunehmen. Am Anfang hat sich dies wie ein MUSS angefühlt. Ich musste mir Zeit zum Duschen nehmen, weil es dauert, bis das warme Wasser kommt. Ich musste mir Zeit zum Putzen nehmen, weil es hier keinen Staubsauger gibt und alles mit einem Mopp gewischt wird. Ich musste mir Zeit nehmen, um die Menschen und ihren Dialekt sprachlich zu verstehen. Am Anfang habe ich diese Dinge und Aktivitäten als nervig empfunden, da ich alles perfekt und schnell erledigen wollte. Aus der Schnelllebigkeit meines deutschen Alltags herauszukommen, stellt eine Herausforderung für mich dar.
Zusammenfassend habe ich begriffen, dass ich Dinge, Momente, etc. bewusster wahrnehme, wenn ich mir die Zeit nehme. Bewusster die Dinge wahrzunehmen, wirft mehr Fragen auf, durch die ich mehr in die Tiefe der Momente blicken kann. Ich bin noch lange nicht am Ende mit dem Zeitverständnis hier und ich denke, dass es noch eine Weile dauern wird, bis ich entspannter damit umgehen kann, aber ich bin auf einem gutem Weg, der sich richtig anfühlt…
Leonie Eilhoff